Der Mensch lernt linear, nicht expotenziell. Schneller lernen klappt also nicht. Um bei der dynamisierten Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft dennoch Schritt halten zu können, muss die berufliche Bildung „Jenseits des Kabels“ auf allen Feldern revolutioniert und intelligente Konzepte entwickelt werden. Das ist die Quintessenz der eintägigen Regionalkonferenz des Bundesverbandes der Lehrkräfte für Berufsbildung e.V. (BvLB). Gut 100 Experten aus neun Bundesländern, darunter Vertreter der Politik, der Schulbehörden und Pädagogen, haben jüngst in der Multi Media Berufsbildenden Schule (MMBbS) an der Expo Plaza in offenen Fishbowl-Diskussionsrunden Impulse geliefert, um die Herausforderungen der digitalen Transformation zu meistern.

„Wie sehr die Digitalisierung das Alltagsleben immer weiter verändern wird, kann niemand voraussagen. Gerade die berufliche Bildung steht vor der schwierigen Aufgabe, für eine Zukunft auszubilden, von der man nicht weiß, wie sie aussieht. Um hier erfolgreich zu sein, müssen wir Technik und Didaktik zusammenführen und nicht nur Technik um der Technik willen installieren“, sagte Grant Hendrik Tonne in seiner Eröffnungsrede der BvLB-Regionalkonferenz. Für Niedersachsens Kultusminister gibt es unterschiedliche Handlungsfelder, die im Grunde zeitgleich angegangen werden müssen. Der Themenfächer reicht von der verbindlichen Medienkompetenz-Vermittlung über den Aufbau von Kompetenzzentren für die Lehrerfort- und weiterbildung bis hin zur Weiterentwicklung von Cloud-Lösungen.

Für den BvLB sind Gigabit für alle, leistungsstarkes W-LAN in allen Klassenräumen, „Bring your own device“ (BYOD) und Cloudtechnologie gesetzte Standards bei der Digitalisierung des schulischen Alltags, über die man nicht mehr reden muss. „Maßgeblich ist, dass die offensichtlichen Probleme, an denen die Digitalisierung jenseits des Kabels zu scheitern droht, benannt werden“, sagte Joachim Maiß, BvBL-Vorsitzender.

Prof. Dr. Anton Breitner, Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Informationsmanagement Bremen GmbH an der Uni Bremen, leitete als Keynote-Speaker in das Thema „Entwicklungen in der digitalen Transformation für die berufliche Bildung in der digitalen Welt“ ein und weitete den Blick aufs Thema. „Wir brauchen Learn-Labs, wo die Transformation gelebt wird, und digitale Klassenräume, die über Schulgrenzen hinweg untereinander vernetzt sind und einen Wissentransfer ermöglichen.“

Julia Gillen, Professorin für Berufspädagogik an der Leibniz-Universität Hannover und Direktorin der Leibniz School of Education, fokussierte als zweite Keynote-Speakerin die Frage: „Stehen wir in der beruflichen Bildung aufgrund der digitalen Transformation vor einem Paradigmenwechsel?“ Die Antwort: Pädagogisch nein, technisch schon. „Künftig übernimmt der Lernende die aktive Rolle. Der Lehrende schafft den nötigen Rahmen für relevante Lernfelder. Das ist diametral zum heutigen Frontalunterricht..“

Der Veränderungsprozess ist längst in vollem Gange. „60 Prozent der heute 6- bis 13-Jährigen werden künftig in einem Beruf arbeiten, den es heute noch gar nicht gibt“, sagte Staatssekretär Stefan Muhle vom Niedersächsischen Wirtschaftsministerium als Fishbowl-Diskutant. Nur ein Zahlenbeispiel für den rasanten digitalen Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft.

Der Fokus bei der Konferenz lag auf: Wie könnten didaktische Konzepte für die berufliche Bildung in und für eine digitale Welt aussehen? Welche Rolle übernimmt Schule in einer von der Digitalisierung immer stärker bestimmten Gesellschaft? Für welche Arbeits- und Berufswelt muss Schule künftig ausbilden? Und wie soll die Lehrerfort- und –weiterbildung als Voraussetzung für eine gelingende Digitalisierung aussehen?

„Aus den Impulsen definieren wir jetzt Handlungsempfehlungen, die beim BvLB-Berufsbildungskongress Mitte November in Berlin in einem Forderungskatalog münden werden. Denn legen wir dann der Politik vor, um die berufliche Bildung in der digitalen Transformation nachhaltig zu stärken. Die BBSen sind das Bindeglied zur Wirtschaft. Die Anforderungen der Betrieb sind maßgeblich für das, was wir vermitteln“, sagten Joachim Maiß und der zweite BvLB- Bundesvorsitzende Eugen Straubinger unisono abschließend.